Einleitung: Die komplexe Landkarte des chinesischen Rechtsmarktes

Meine sehr verehrten Leserinnen und Leser, die sich für Investitionen in China interessieren – herzlich willkommen. Ich bin Lehrer Liu, und nach über 12 Jahren bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft, wo ich täglich mit den Herausforderungen internationaler Unternehmen zu tun habe, sowie 14 Jahren Erfahrung in der Registrierungsabwicklung, kann ich Ihnen sagen: Die Frage, ob ausländischen Anwaltskanzleien die Berufsausübung im chinesischen Rechtsdienstesektor gestattet ist, ist keine mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" zu beantwortende. Sie gleicht vielmehr einem hochkomplexen Schachbrett, auf dem sich regulatorische Vorgaben, praktische Geschäftsmodelle und kulturelle Gegebenheiten überschneiden. Viele Investoren, mit denen ich gesprochen habe, gehen von einem liberalisierten Markt aus und sind dann überrascht von den feinen, aber entscheidenden Grenzlinien. Dieser Artikel möchte Ihnen als Investor, der Deutsch liest, eine detaillierte Landkarte dieses Terrains bieten. Wir werden nicht nur die rechtlichen Grundlagen beleuchten, sondern vor allem die praktischen Implikationen, die für Ihre Investitionsentscheidungen von zentraler Bedeutung sind. Denn eines ist klar: Der Zugang zu kompetenter Rechtsberatung ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg – oder Misserfolg – jedes Engagements in China.

Das Grundprinzip: Repräsentanzbüros vs. Lokale Praxis

Der Kern des Themas liegt in der strikten Unterscheidung, die das chinesische Recht vorsieht. Ausländische Anwaltskanzleien dürfen in China nicht als lokale chinesische Anwaltskanzleien zugelassen werden und unterliegen damit nicht dem chinesischen Anwaltsgesetz in seiner Gänze. Stattdessen operieren sie auf Basis der „Verwaltungsvorschriften für Repräsentanzbüros ausländischer Anwaltskanzleien in China“. Das klingt erstmal nach einem formalen Unterschied, hat aber massive praktische Konsequenzen. Ein Repräsentanzbüro ist genau das: eine Repräsentanz. Es darf keine chinesischen Rechtsberatungsdienstleistungen in Bezug auf chinesisches Recht erbringen. Konkret heißt das: Die ausländischen Anwälte in einem solchen Büro, auch wenn sie perfekt Mandarin sprechen, dürfen Sie nicht vor einem chinesischen Gericht vertreten, keine notariellen Beglaubigungen für die Verwendung in China vornehmen und keine Gutachten zum chinesischen Gesellschafts-, Vertrags- oder Immobilienrecht erstellen, die als verbindliche Rechtsberatung gelten.

Was dürfen sie dann? Ihre Kernkompetenz liegt in der Beratung zum Recht des Heimatlandes der Kanzlei (z.B. US-amerikanisches oder englisches Recht) sowie zum Völkerrecht. In der Praxis bedeutet das, dass sie bei grenzüberschreitenden Transaktionen wie M&A, Joint-Venture-Gründungen oder internationalen Finanzierungen eine zentrale Rolle spielen. Sie strukturieren die internationale Seite des Deals, verhandeln die englischsprachigen Vertragswerke und beraten zu ausländischen Börsenregularien. Für die rein innerschinesische Komponente muss jedoch zwingend eine lokale chinesische Kanzlei hinzugezogen werden. Dieses Tandem-Modell ist der Standard für jede größere Transaktion. Ich habe in meiner Zeit unzählige Kooperationsverträge zwischen deutschen Investoren und chinesischen Partnern begleitet, bei denen genau dieses Zusammenspiel zwischen einer internationalen Großkanzlei (für den deutschen/internationalen Part) und einer Top-tier chinesischen Kanzlei (für die chinesische Umsetzung) entscheidend für einen reibungslosen Ablauf war. Ein Versäumnis hier kann zu verheerenden „legal blind spots“ führen.

Die Grauzone der "Business Practice" Beratung

Nun wird es interessant, denn in der täglichen Arbeit entsteht eine gewisse Grauzone, die geschickte Kanzleien zu nutzen wissen. Zwar ist die direkte Auslegung chinesischen Rechts verboten, aber eine Beratung zu „geschäftlichen Gepflogenheiten“ (business practices), „Marktüblichkeiten“ oder „praktischen Implikationen“ bestimmter Regelwerke ist oft möglich. Ein erfahrener Partner einer ausländischen Kanzlei wird Ihnen nicht sagen: „Artikel 12 des Gesellschaftsgesetzes verbietet dies.“ Stattdessen könnte er formulieren: „Basierend auf unserer umfangreichen Erfahrung mit ähnlichen Transaktionen in der Provinz Guangdong ist es üblich, dass die Behörden in einem solchen Fall folgende Dokumente erwarten...“ Diese Art der indirekten, erfahrungsbasierten Beratung ist unglaublich wertvoll, aber sie erfordert vom Kunden ein Verständnis dafür, wo die rechtliche Grenze verläuft.

Ein konkretes Beispiel aus meiner Praxis: Ein deutscher Mittelständler wollte einen Distributionsvertrag mit einem chinesischen Partner abschließen. Die internationale Kanzlei aus Deutschland entwarf den englischen Master-Vertrag mit allen internationalen Schiedsklauseln. Als es jedoch um die konkreten Zahlungsmodalitäten und Gewährleistungsregelungen ging, die tief im chinesischen Vertragsrecht verwurzelt sind, musste die lokale Kanzlei eingreifen. Der Partner der ausländischen Kanzlei konnte jedoch brillant erklären, wie typische Konfliktpunkte in solchen Verträgen in der Vergangenheit vor internationalen Schiedsgerichten ausgelegt wurden – eine Information, die für die Verhandlungsstrategie des deutschen Kunden Gold wert war. Diese Kombination aus formaler Rechtstreue und praktischer Beratungskunst ist das, was die wirklich guten Kanzleien auszeichnet.

Die Personal-Frage: Wer darf was?

Die Beschränkungen gelten nicht nur für die Kanzlei als Institution, sondern auch für das einzelne Personal. Die in einem Repräsentanzbüro beschäftigten Anwälte sind in der Regel im Ausland zugelassen. Sie können keine chinesische Anwaltszulassung erwerben, solange sie für das Repräsentanzbüro tätig sind. Es gibt jedoch die Möglichkeit für ausländische Anwälte, die sogenannte „Nationale Berufsqualifikation für den Rechtsberuf“ in China zu erlangen – eine äußerst anspruchsvolle Prüfung. Selbst wenn sie diese bestehen, dürfen sie, wenn sie in einem Repräsentanzbüro arbeiten, ihre chinesische Zulassung nicht aktiv für die Prozessvertretung nutzen. Dies führt zu einem interessanten Personalpool: Viele Repräsentanzbüros beschäftigen chinesische Rechtsberater (keine „Anwälte“ im strengen Sinne), die oft ein profundes Wissen über beide Rechtssysteme haben und die Brücke zwischen den Welten schlagen.

In der Verwaltungsarbeit erlebe ich es häufig, dass es bei der Kommunikation mit Behörden genau auf diese Nuancen ankommt. Ein Schreiben, das von einem „Foreign Legal Consultant“ unterzeichnet ist, wird anders behandelt als eines von einem registrierten „Chinese Lawyer“. Für die Einreichung bestimmter Dokumente bei der SAMR (State Administration for Market Regulation) oder dem SAFE (State Administration of Foreign Exchange) ist die Beteiligung einer vollwertigen chinesischen Kanzlei oft zwingend vorgeschrieben. Hier hilft es ungemein, wenn die ausländische Kanzlei über ein eingespieltes Netzwerk zuverlässiger lokaler Partner verfügt – ein Faktor, den Investoren bei der Auswahl ihrer Berater unbedingt abfragen sollten. Die Chemie zwischen den Teams ist oft entscheidend, um bürokratische Hürden effizient zu nehmen.

Joint-Venture-Modelle und strategische Kooperationen

Aufgrund der beschriebenen Restriktionen haben ausländische Kanzleien kreative Wege gesucht, um ihren Fuß stärker in der Tür zu haben. Reine Joint Ventures zwischen ausländischen und chinesischen Kanzleien, bei denen gemeinsam Rechnung gestellt wird und Gewinne geteilt werden, sind nach wie vor nicht erlaubt. Was es jedoch gibt, sind enge strategische Kooperationen, „Best Friend“-Absprachen oder sogar formelle Allianzen. Einige globale Kanzleien haben zudem in Hongkong starke Präsenzen aufgebaut, von wo aus sie aufgrund der „Closer Economic Partnership Arrangement“ (CEPA) privilegierten Zugang zum chinesischen Markt haben, auch wenn dies immer noch nicht mit einer uneingeschränkten lokalen Praxis gleichzusetzen ist.

Für Sie als Investor bedeutet das: Wenn eine internationale Kanzlei mit einem „sehr engen Partner“ in Shanghai oder Peking wirbt, sollten Sie nachfragen, wie diese Kooperation konkret strukturiert ist. Handelt es sich um eine lockere Vereinbarung oder um eine institutionalisierte, langfristige Partnerschaft mit gemeinsamen Schulungen und einem klar definierten Eskalationsweg bei komplexen Fragen? Letzteres ist ein starkes Qualitätsmerkmal. In einem Fall, den ich betreute, scheiterte eine Due Diligence zunächst daran, dass die Kommunikation zwischen der ausländischen Kanzlei und ihrer angeblich „befreundeten“ lokalen Kanzlei hakte. Erst als wir auf eine etablierte Kombination mit einer gemeinsamen Projektmanagement-Plattform bestanden, lief der Prozess reibungslos. Die Institutionalisierung der Zusammenarbeit ist ein kritischer Erfolgsfaktor, der oft übersehen wird.

Ist ausländischen Anwaltskanzleien die Berufsausübung im Rechtsdienstesektor gestattet?

Die Zukunft: Langsame Öffnung und neue Modelle

Der Markt ist nicht statisch. In Pilotregionen wie der Guangdong-Hong Kong-Macao Greater Bay Area oder dem Lin-gang Special Area des Shanghai Free Trade Zone werden schrittweise Lockerungen erprobt. Dazu gehören vereinfachte Verfahren für die Zulassung von Hongkong- und Macao-Anwälten oder die Erlaubnis, in bestimmten Bereichen (z.B. im Handelsrecht) gemeinsam mit chinesischen Anwälten zu praktizieren. Diese Pilotprogramme deuten auf einen langfristigen, wenn auch sehr behutsamen Öffnungskurs hin. Für europäische und amerikanische Kanzleien gilt dies bisher jedoch noch nicht in gleichem Maße.

Meine persönliche Einsicht nach all den Jahren ist, dass der chinesische Gesetzgeber ein legitimes Interesse daran hat, seinen eigenen Rechtsdienstesektor zu schützen und zu entwickeln. Eine vollständige Liberalisierung nach europäischem Muster ist in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten. Stattdessen werden wir meiner Meinung nach eine weitere Ausdifferenzierung der Modelle sehen: Ausländische Kanzleien werden sich noch stärker auf hochspezialisierte, grenzüberschreitende Nischen konzentrieren, während die Zusammenarbeit mit lokalen „Powerhouses“ zur absoluten Standardprozedur wird. Investoren sollten sich also weniger auf die Frage „Dürfen die das?“ versteifen, sondern vielmehr prüfen: „Wie gut beherrscht dieses Berater-Tandem das Spiel und kennt es alle Regeln – geschriebene wie ungeschriebene?“

Fazit: Kompetenz im Tandem als Schlüssel zum Erfolg

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ausländischen Anwaltskanzleien die Berufsausübung im chinesischen Rechtsdienstesektor in der Form einer vollwertigen lokalen Praxis nicht gestattet ist. Ihr Wirkungskreis ist durch die Repräsentanzbüro-Regelungen klar umrissen und fokussiert auf ausländisches und internationales Recht. Der wahre Wert für den Investor entsteht jedoch nicht aus der isolierten Betrachtung einer ausländischen Kanzlei, sondern aus der nahtlosen und kompetenten Zusammenarbeit mit einer erstklassigen chinesischen Kanzlei. Die Kunst besteht darin, dieses Tandem so zu managen, dass es als eine einzige, kohärente Beratungseinheit agiert.

Als Investor sollten Sie daher bei der Auswahl Ihrer Rechtsberater für China-Projekte stets das Gespann im Blick haben. Fragen Sie nach konkreten Referenzprojekten, bei denen die beiden Kanzleien bereits erfolgreich zusammengearbeitet haben. Vergewissern Sie sich, dass die Kommunikationswege klar sind und dass es eine erfahrene Kontaktperson gibt, die den Gesamtprozess orchestriert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex, aber nicht undurchschaubar. Mit dem richtigen Beraterteam an Ihrer Seite, das diese Komplexität nicht nur versteht, sondern für Sie navigiert, können Sie die rechtlichen Herausforderungen des chinesischen Marktes erfolgreich meistern und Ihre Investition auf ein solides Fundament stellen. Die Zukunft gehört denen, die die Stärken beider Welten intelligent kombinieren.

Einsichten der Jiaxi Steuer- und Finanzberatung

Bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft, wo ich seit über 12 Jahren für unsere internationalen Klienten tätig bin, betrachten wir die Frage der Rechtsberatung immer im Gesamtkontext der Markteinführung. Die Zusammenarbeit mit einer kompetenten ausländischen Kanzlei ist für uns oft der Startpunkt, besonders bei der Holding-Strukturierung im Heimatland des Investors oder bei komplexen Finanzierungsrunden. Wir sehen jedoch immer wieder, dass die eigentlichen Stolpersteine später im operativen Geschäft in China auftauchen: Arbeitsrecht, lokale Steuerverfahren, Compliance mit Industrienormen. Hier ist die Expertise der chinesischen Kanzlei unersetzlich. Unsere Rolle ist es oft, als Drehscheibe zu fungieren und sicherzustellen, dass die steuerlichen Implikationen, die der eine Berater aufzeigt, mit den rechtlichen Strukturen des anderen harmonieren. Ein praktischer Tipp von uns: Lassen Sie in der frühen Phase eines Projekts die Schlüsselberater – Steuerberater, ausländischer Rechtsberater, chinesischer Rechtsberater – zu einem gemeinsamen Workshop zusammenkommen. Die dadurch vermiedenen Missverständnisse und die entwickelte gemeinsame Strategie sparen später ein Vielfaches an Zeit und Kosten. Unser Credo ist: Die beste Beratung ist eine, die die verschiedenen regulatorischen Welten (Recht, Steuern, Buchhaltung, Betrieb) integriert denkt. Die Beschränkungen für ausländische Kanzleien sind in diesem Modell keine Behinderung, sondern schaffen klare Verantwortlichkeiten, die, wenn sie gut koordiniert werden, zu einem robusteren Ergebnis für den Investor führen.